Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Warum Bonitätsprüfungen datenschutzrelevant sind
- Rechtsrahmen kompakt: DSGVO, BDSG und einschlägige Vorschriften
- Rechtsgrundlagen für Bonitätsprüfungen: Art. 6 DSGVO im Vergleich
- Automatisierte Entscheidungen und Profiling: Art. 22 DSGVO und praktische Folgen
- Wann ist eine Datenschutz-Folgenabschätzung nötig? DSFA nach Art. 35 DSGVO für Bonitätsprüfungen
- Vertragsbeziehungen mit Auskunfteien: Notwendige Vertragsinhalte und Prüfpfade
- Datenminimierung und Speicherfristen: Praktische Regeln für Bonitätsdaten
- Transparenz und Informationspflichten gegenüber Betroffenen
- Dokumentation und Nachweispflichten: Mustervorlage für die Entscheidungsspeicherung
- Musterklauseln: Einwilligungstext, Interessenabwägungstemplate, Kernklauseln für Auskunfteien
- Prozesslandkarte: Schritt für Schritt von der Anfrage bis zur Löschung
- Prüfliste für Audits und Aufsichtsbehörden
- Anonymisierte Praxisbeispiele und typische Fehlerquellen
- FAQ: Kurze Antworten zu wiederkehrenden Fragen
- Quellen und weiterführende Links
Einleitung: Warum Bonitätsprüfungen datenschutzrelevant sind
Die Durchführung einer Bonitätsprüfung ist für viele Unternehmen ein unerlässlicher Prozess zur Minimierung von Zahlungsausfallrisiken. Ob beim Kauf auf Rechnung, bei der Vergabe von Krediten oder beim Abschluss von Mobilfunkverträgen – die Einschätzung der Zahlungsfähigkeit eines potenziellen Vertragspartners ist betriebswirtschaftlich geboten. Dieser Prozess steht jedoch in einem natürlichen Spannungsfeld zum Schutz personenbezogener Daten. Der Kernkonflikt zwischen Bonitätsprüfung und Datenschutz liegt in der Verarbeitung sensibler Finanzdaten, die tiefgreifende Einblicke in die private Lebensführung einer Person ermöglichen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) setzen hierfür enge rechtliche Grenzen.
Dieser Leitfaden richtet sich an Datenschutzbeauftragte, Unternehmensjuristen sowie Verantwortliche in Personal- und Kreditabteilungen. Er soll nicht nur die rechtlichen Anforderungen aufklären, sondern konkrete Handlungsempfehlungen, Muster und Checklisten bereitstellen, um die Prozesse rund um die Bonitätsprüfung und Datenschutz in Ihrem Unternehmen ab 2025 rechtssicher und praxistauglich zu gestalten.
Rechtsrahmen kompakt: DSGVO, BDSG und einschlägige Vorschriften
Die rechtliche Zulässigkeit von Bonitätsprüfungen wird primär durch zwei Gesetze geregelt: die EU-weit geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das auf nationaler Ebene konkretisierende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Beide Regelwerke müssen stets im Zusammenspiel betrachtet werden.
- DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung): Sie legt die fundamentalen Prinzipien der Datenverarbeitung fest. Für die Bonitätsprüfung sind insbesondere Art. 5 (Grundsätze der Verarbeitung), Art. 6 (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung), Art. 13/14 (Informationspflichten) und Art. 22 (Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling) relevant.
- BDSG (Bundesdatenschutzgesetz): Das BDSG enthält spezifische Regelungen, die die DSGVO in Deutschland ergänzen. Von zentraler Bedeutung ist hier § 31 BDSG, der die Voraussetzungen für das Scoring und die Bonitätsauskunft durch Auskunfteien konkretisiert.
Die Einhaltung dieser Vorschriften ist nicht nur eine formale Pflicht, sondern schützt Unternehmen vor empfindlichen Bußgeldern und Reputationsschäden.
Rechtsgrundlagen für Bonitätsprüfungen: Art. 6 DSGVO im Vergleich
Jede Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf einer Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Für die Durchführung einer Bonitätsprüfung kommen hauptsächlich drei Optionen in Betracht, deren Anwendbarkeit sorgfältig geprüft werden muss.
Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO
Die Einwilligung des Betroffenen ist eine mögliche, aber in der Praxis oft heikle Rechtsgrundlage. Sie muss freiwillig, informiert, unmissverständlich und für den spezifischen Fall erteilt werden. Insbesondere das Kriterium der Freiwilligkeit ist problematisch, wenn die Bonitätsprüfung Voraussetzung für den Vertragsabschluss ist (Kopplungsverbot, Art. 7 Abs. 4 DSGVO). Eine Einwilligung ist daher meist nur dann eine valide Option, wenn der Kunde eine echte Wahl hat, beispielsweise zwischen Vorkasse (ohne Prüfung) und Kauf auf Rechnung (mit Prüfung).
Vertragserfüllung oder vorvertragliche Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO
Diese Rechtsgrundlage greift, wenn die Bonitätsprüfung zur Anbahnung oder Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist. Dies ist typischerweise der Fall, wenn das Unternehmen in Vorleistung geht und damit ein finanzielles Ausfallrisiko trägt. Beispiele hierfür sind:
- Ratenzahlungsverträge
- Kreditverträge
- Telekommunikations- und Mietverträge
- Kauf auf Rechnung für Neukunden
Wichtig ist hier die saubere Dokumentation der Erforderlichkeit. Bei Zahlungsmethoden ohne Ausfallrisiko (z.B. Vorkasse, Sofortüberweisung) ist eine Bonitätsprüfung nicht erforderlich und somit auf dieser Grundlage unzulässig.
Berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO
Die wohl häufigste Rechtsgrundlage ist das berechtigte Interesse des Unternehmens. Hierfür ist eine dreistufige Interessenabwägung erforderlich und zu dokumentieren:
- Feststellung des berechtigten Interesses: Das Interesse des Unternehmens, sich vor Zahlungsausfällen zu schützen, ist grundsätzlich als berechtigt anzusehen.
- Prüfung der Erforderlichkeit: Die Bonitätsprüfung muss zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein. Gibt es mildere, gleich effektive Mittel?
- Abwägung der Interessen: Die Interessen des Unternehmens werden den Rechten und Freiheiten der betroffenen Person gegenübergestellt. Hierbei spielt die Intensität des Eingriffs eine entscheidende Rolle. Die Verwendung eines negativen Merkmals (z.B. Insolvenzverfahren) wiegt weniger schwer als die Nutzung eines umfassenden Score-Wertes.
Für das Scoring durch Auskunfteien präzisiert § 31 BDSG die Anforderungen an diese Interessenabwägung und setzt dem Einsatz von Score-Werten klare Grenzen.
Automatisierte Entscheidungen und Profiling: Art. 22 DSGVO und praktische Folgen
Führt das Ergebnis einer Bonitätsprüfung zu einer vollautomatisierten Entscheidung (z.B. die automatische Ablehnung eines Vertragsabschlusses durch ein IT-System ohne menschliches Eingreifen), die für den Betroffenen eine rechtliche oder ähnlich erhebliche Wirkung entfaltet, greifen die strengen Anforderungen des Art. 22 DSGVO. Solche Entscheidungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn sie:
- für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags erforderlich sind,
- aufgrund von Rechtsvorschriften zulässig sind oder
- auf der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen beruhen.
In jedem Fall müssen angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte der betroffenen Person getroffen werden. Dazu gehören mindestens das Recht auf Darlegung des eigenen Standpunkts, das Recht auf Anfechtung der Entscheidung und das Recht auf Erwirkung des Eingreifens einer Person aufseiten des Verantwortlichen. Unternehmen müssen Prozesse etablieren, die diese Rechte sicherstellen.
Wann ist eine Datenschutz-Folgenabschätzung nötig? DSFA nach Art. 35 DSGVO für Bonitätsprüfungen
Eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) ist immer dann durchzuführen, wenn eine Form der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat. Bei Bonitätsprüfungen ist dies häufig der Fall, insbesondere wenn:
- Scoring-Verfahren in großem Umfang eingesetzt werden (systematische und umfassende Bewertung persönlicher Aspekte).
- Besondere Kategorien von Daten (obwohl für Bonitätsprüfungen unüblich) oder Daten über schutzbedürftige Personen verarbeitet werden.
- Die Verarbeitung zur automatisierten Ablehnung von Verträgen führt.
Die Kurz-Checkliste für eine DSFA im Kontext von Bonitätsprüfung und Datenschutz sollte folgende Punkte umfassen:
- Systematische Beschreibung: Welcher Prozess wird eingeführt? Welche Daten werden von wem verarbeitet?
- Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit: Ist der Prozess zur Risikominimierung wirklich erforderlich?
- Risikobewertung: Welche Risiken (Diskriminierung, finanzielle Ausgrenzung) bestehen für die Betroffenen?
- Geplante Abhilfemaßnahmen: Wie werden diese Risiken durch technische und organisatorische Maßnahmen minimiert (z.B. menschliche Überprüfung, Transparenz, Datenminimierung)?
Vertragsbeziehungen mit Auskunfteien: Notwendige Vertragsinhalte und Prüfpfade
Unternehmen führen Bonitätsprüfungen selten selbst durch, sondern greifen auf die Dienste von Auskunfteien (z.B. SCHUFA, Creditreform) zurück. Rechtlich gesehen findet hier eine Datenübermittlung von einem Verantwortlichen (dem Unternehmen) an einen anderen Verantwortlichen (die Auskunftei) statt. Es handelt sich in der Regel nicht um eine Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO, da die Auskunftei die Daten für eigene Zwecke und nach eigenen Methoden verarbeitet.
Dennoch müssen die vertraglichen Grundlagen dieser Übermittlung sauber geregelt sein. Der Vertrag mit der Auskunftei sollte mindestens folgende Punkte klären:
- Rechtsgrundlage der Übermittlung: Der Vertrag sollte die Rechtsgrundlage der Datenübermittlung (i.d.R. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) festhalten.
- Zweckbindung: Die übermittelten Daten dürfen von der Auskunftei nur für den vereinbarten Zweck der Bonitätsprüfung verwendet werden.
- Datenarten: Eine genaue Spezifikation, welche Daten abgefragt und übermittelt werden (Name, Adresse, Geburtsdatum, ggf. Score-Wert).
- Informationspflichten: Klare Regelung, wer (Unternehmen oder Auskunftei) den Betroffenen gemäß Art. 14 DSGVO über die Datenerhebung bei Dritten informiert.
- Sicherheitsmaßnahmen: Zusicherung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen (TOMs) zum Schutz der Daten während der Übermittlung.
Datenminimierung und Speicherfristen: Praktische Regeln für Bonitätsdaten
Der Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) verlangt, dass nur die Daten verarbeitet werden, die für den Zweck der Bonitätsprüfung unbedingt erforderlich sind. Fragen Sie nur die Informationen ab, die Sie wirklich für Ihre Entscheidung benötigen.
Die Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO) gibt vor, dass Bonitätsdaten nur so lange aufbewahrt werden dürfen, wie es für den Zweck, für den sie erhoben wurden, notwendig ist.
- Positive Bonitätsauskunft: Das Ergebnis einer positiven Prüfung muss in der Regel nach der Entscheidung über den Vertragsabschluss nicht weiter gespeichert werden. Ein Vermerk “Bonitätsprüfung positiv” in der Kundenakte kann ausreichen.
- Negative Bonitätsauskunft bei Vertragsablehnung: Die detaillierten Daten sollten nach der Ablehnung und einer kurzen Frist zur Abwehr eventueller rechtlicher Ansprüche (z.B. nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, AGG) gelöscht werden.
- Laufende Vertragsbeziehung: Bei Verträgen mit laufendem Risiko (z.B. Kredite) kann eine längere Speicherung gerechtfertigt sein, muss aber regelmäßig auf ihre Notwendigkeit überprüft werden.
Transparenz und Informationspflichten gegenüber Betroffenen
Transparenz ist ein Eckpfeiler der DSGVO. Unternehmen müssen Betroffene vor oder zum Zeitpunkt der Datenerhebung klar und verständlich über die geplante Bonitätsprüfung informieren. Diese Information nach Art. 13 bzw. 14 DSGVO muss Folgendes enthalten:
- Den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen (Ihres Unternehmens).
- Die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten.
- Den Zweck und die Rechtsgrundlage der Bonitätsprüfung.
- Bei berechtigtem Interesse: Eine Erläuterung dieses Interesses.
- Den Namen der Auskunftei, von der die Daten bezogen werden.
- Die Information, dass die Auskunftei weitere Daten von anderen Unternehmen erhält und weitergibt.
- Die Rechte des Betroffenen: Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung, Widerspruch und Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde.
Diese Informationen sollten leicht zugänglich sein, beispielsweise in den Datenschutzhinweisen auf der Webseite und direkt im Bestell- oder Antragsprozess verlinkt werden.
Dokumentation und Nachweispflichten: Mustervorlage für die Entscheidungsspeicherung
Gemäß der Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) müssen Unternehmen die Einhaltung der Datenschutzgrundsätze nachweisen können. Dies erfordert eine lückenlose Dokumentation des gesamten Prozesses der Bonitätsprüfung. Für jede durchgeführte Prüfung sollte ein Datensatz angelegt werden, der Folgendes enthält:
Mustervorlage für die Entscheidungsspeicherung:
- Datum der Anfrage: TT.MM.JJJJ
- Identität des Betroffenen: Kunden- oder Antragsnummer
- Geprüfter Sachverhalt: Z.B. “Antrag auf Kauf auf Rechnung, Warenwert 500 €”
- Gewählte Rechtsgrundlage: Z.B. “Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (vorvertragliche Maßnahme)” oder “Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO”
- Bei Art. 6 Abs. 1 lit. f: Verweis auf die allgemeine Interessenabwägung
- Angefragte Auskunftei: Name der Auskunftei
- Erhaltene Daten: Z.B. “Score-Wert: 95%”, “Keine negativen Merkmale”
- Getroffene Entscheidung: Z.B. “Vertrag genehmigt”, “Vertrag abgelehnt”, “Alternative Zahlungsmethode angeboten”
- Begründung der Entscheidung: Kurze, sachliche Begründung (insbesondere bei Ablehnung)
- Datum der Löschung der Detaildaten: TT.MM.JJJJ
Musterklauseln und Vorlagen für die Praxis
Die folgenden Muster dienen als Orientierung und müssen an die spezifischen Gegebenheiten Ihres Unternehmens angepasst werden.
Muster: Einwilligungstext für Bonitätsprüfungen
„Ja, ich willige ein, dass die [Ihr Unternehmen], [Ihre Adresse], zum Zwecke der Entscheidung über die Begründung des Vertragsverhältnisses für [konkretes Produkt/Dienstleistung] eine Bonitätsprüfung bei der [Name und Adresse der Auskunftei] durchführt. Mir ist bekannt, dass hierfür mein Name, mein Geburtsdatum und meine Anschrift übermittelt werden und die Auskunftei einen Score-Wert zur Einschätzung meiner Kreditwürdigkeit berechnet. Diese Einwilligung ist freiwillig und kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Ohne meine Einwilligung kann der Kauf auf Rechnung nicht angeboten werden; alternative Zahlungsmethoden wie Vorkasse stehen zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.“
Muster: Template für die Interessenabwägung (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO)
Prüfschritt | Beschreibung |
---|---|
1. Berechtigtes Interesse des Unternehmens | Unser Unternehmen hat ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran, sich vor Forderungsausfällen zu schützen, die durch die Zahlungsunfähigkeit von Kunden entstehen. Dies sichert unsere Liquidität und ermöglicht es uns, Waren und Dienstleistungen auf Rechnung anzubieten. |
2. Erforderlichkeit der Datenverarbeitung | Die Einholung einer Bonitätsauskunft bei einer spezialisierten Auskunftei ist ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um das Risiko eines Zahlungsausfalls zu bewerten. Mildere Mittel (z.B. reine Selbstauskunft des Kunden) bieten keine vergleichbare objektive Entscheidungsgrundlage. |
3. Abwägung mit den Interessen des Betroffenen | Das Interesse des Kunden am Schutz seiner Daten wird anerkannt. Jedoch überwiegt in Fällen, in denen wir ein finanzielles Risiko eingehen, unser Schutzinteresse. Der Eingriff wird minimiert durch: a) Abfrage nur bei risikobehafteten Zahlungsmethoden, b) Abfrage nur absolut notwendiger Daten, c) transparente Information des Kunden, d) Löschung der Daten nach Zweckerfüllung. Der Betroffene hat zudem ein Widerspruchsrecht. Im Ergebnis überwiegt unser berechtigtes Interesse. |
Kernklauseln für Verträge mit Auskunfteien
Achten Sie in Verträgen mit Auskunfteien auf Klauseln, die Folgendes sicherstellen:
- Datenschutzkonformität: Die Auskunftei sichert zu, ihre Datenverarbeitung gemäß DSGVO und BDSG durchzuführen.
- Informationsaustausch: Klare Regelungen zur Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 14 DSGVO und zur Bearbeitung von Betroffenenanfragen.
- Haftung: Regelungen zur Haftung im Falle von Datenschutzverstößen.
Prozesslandkarte: Schritt für Schritt von der Anfrage bis zur Löschung
- Bedarfsfeststellung: Ein Kunde wählt eine risikobehaftete Option (z.B. Ratenkauf).
- Prüfung der Rechtsgrundlage: Das System prüft, ob Art. 6 Abs. 1 lit. b oder f DSGVO anwendbar ist.
- Transparente Information: Der Kunde wird im Prozess klar und verständlich über die anstehende Bonitätsprüfung und seine Rechte informiert.
- Datenübermittlung an die Auskunftei: Minimierte Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum) werden sicher an die Auskunftei übertragen.
- Empfang und Verarbeitung der Auskunft: Der Score-Wert oder die Merkmale werden empfangen.
- Entscheidungsfindung: Auf Basis vordefinierter, sachlicher Kriterien wird eine Entscheidung getroffen (automatisiert oder manuell).
- Dokumentation: Die Anfrage, das Ergebnis und die Entscheidung werden manipulationssicher protokolliert.
- Vertragsabschluss oder Ablehnung: Der Kunde wird über das Ergebnis informiert. Bei Ablehnung aufgrund automatisierter Entscheidung wird auf die Rechte nach Art. 22 DSGVO hingewiesen.
- Löschung: Die detaillierten Bonitätsdaten werden nach Wegfall des Zwecks (z.B. Ablehnung des Antrags, Ende der Geschäftsbeziehung) gemäß den definierten Löschfristen entfernt.
Prüfliste für Audits und Aufsichtsbehörden
Nutzen Sie diese Liste, um Ihre Prozesse im Bereich Bonitätsprüfung und Datenschutz zu überprüfen:
- [ ] Ist für jede Bonitätsprüfung eine gültige Rechtsgrundlage definiert und dokumentiert?
- [ ] Wird die dreistufige Interessenabwägung für Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO nachweisbar durchgeführt und dokumentiert?
- [ ] Werden die Betroffenen vollständig und rechtzeitig gemäß Art. 13/14 DSGVO informiert?
- [ ] Ist der Prozess für automatisierte Entscheidungen nach Art. 22 DSGVO konform (insb. Recht auf menschliches Eingreifen)?
- [ ] Wurde die Notwendigkeit einer DSFA geprüft und diese ggf. durchgeführt?
- [ ] Existieren schriftliche Verträge mit den genutzten Auskunfteien, die den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen?
- [ ] Ist ein Löschkonzept für Bonitätsdaten implementiert und wird es gelebt?
- [ ] Ist der gesamte Prozess von der Anfrage bis zur Löschung lückenlos dokumentiert?
Anonymisierte Praxisbeispiele und typische Fehlerquellen
Praxisbeispiel 1: Online-Shop
Ein Kunde möchte in einem Online-Shop Ware im Wert von 800 € auf Rechnung bestellen. Der Shop-Betreiber hat ein berechtigtes Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO), das Ausfallrisiko zu prüfen. Er informiert den Kunden im Checkout-Prozess transparent, dass eine Bonitätsprüfung bei einer genannten Auskunftei stattfindet. Das Ergebnis ist ein positiver Score-Wert, der Kauf wird genehmigt. In der Kundenakte wird nur vermerkt, dass die Prüfung positiv war; der Score-Wert selbst wird nach kurzer Zeit gelöscht.
Typische Fehlerquellen
- Fehler 1: Pauschale Prüfung: Bonitätsprüfungen werden für alle Kunden durchgeführt, auch bei risikoarmen Zahlungsmethoden wie Vorkasse. Dies verstößt gegen die Erforderlichkeit und Datenminimierung.
- Fehler 2: Mangelnde Transparenz: Die Information über die Bonitätsprüfung ist in langen AGB versteckt und nicht klar und deutlich vor Vertragsabschluss platziert.
- Fehler 3: Fehlende Dokumentation: Die Interessenabwägung existiert nur im Kopf der Geschäftsführung, ist aber nirgends schriftlich fixiert. Im Falle einer Prüfung durch eine Aufsichtsbehörde kann die Rechtmäßigkeit nicht nachgewiesen werden.
FAQ: Kurze Antworten zu wiederkehrenden Fragen
Was ist ein Score-Wert?
Ein Score-Wert ist ein statistischer Wert, der die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Zahlungsverhaltens (z.B. die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung eines Kredits) prognostiziert. Er wird von Auskunfteien auf Basis gesammelter Daten berechnet.
Kann ich eine Bonitätsprüfung verweigern?
Ja, Sie können einer Prüfung auf Basis einer Einwilligung widersprechen. Stützt das Unternehmen die Prüfung auf ein berechtigtes Interesse, können Sie gemäß Art. 21 DSGVO Widerspruch einlegen. Das Unternehmen muss dann zwingende schutzwürdige Gründe nachweisen. In der Praxis führt eine Verweigerung oder ein erfolgreicher Widerspruch oft dazu, dass der Vertrag nur gegen Vorkasse oder gar nicht zustande kommt.
Wie lange werden meine Daten bei einer Auskunftei gespeichert?
Auskunfteien haben eigene, von den Aufsichtsbehörden geprüfte Löschfristen (sog. “Codes of Conduct”). Informationen über Kredite werden z.B. in der Regel drei Jahre nach vollständiger Rückzahlung gelöscht.
Was kann ich bei einer negativen Bonitätsauskunft tun?
Sie haben das Recht auf Auskunft über die bei der Auskunftei gespeicherten Daten (Art. 15 DSGVO). Sind die Daten falsch, haben Sie ein Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO). Zudem können Sie bei einer automatisierten Ablehnung eine manuelle Überprüfung durch eine Person verlangen.
Quellen und weiterführende Links
Für vertiefende Informationen und offizielle Stellungnahmen empfehlen wir die Webseiten der Datenschutzaufsichtsbehörden und Fachverbände:
- Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)
- Datenschutzkonferenz (DSK) – das Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden
- Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V.
- Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V.