Datenschutz in der Telemedizin: Patientenschutz praktisch erklärt

Datenschutz in der Telemedizin: Patientenschutz praktisch erklärt

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Was bedeutet Telemedizin für den Datenschutz?

Die Telemedizin hat die Art und Weise, wie wir medizinische Versorgung erhalten, revolutioniert. Arztbesuche per Video, digitale Rezepte und der Austausch von Befunden über Online-Plattformen sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Doch mit dem Komfort der digitalen Sprechstunde wächst auch die Notwendigkeit, ein zentrales Thema in den Fokus zu rücken: den Datenschutz in der Telemedizin. Ihre Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen, die es über Sie gibt. Ihre Sicherheit und Vertraulichkeit müssen daher oberste Priorität haben.

Dieser Leitfaden soll Ihnen als Patientin oder Patient helfen, die datenschutzrechtlichen Aspekte der Telemedizin besser zu verstehen. Wir erklären Ihnen praxisnah, worauf Sie achten müssen, welche Rechte Sie haben und wie Sie aktiv zum Schutz Ihrer Daten beitragen können. Ziel ist es, Ihnen Handlungssicherheit zu geben, damit Sie die Vorteile der Telemedizin unbesorgt nutzen können.

Kurzer Überblick: Relevante Rechtsgrundlagen

Der Schutz Ihrer Gesundheitsdaten ist kein reines Serviceversprechen, sondern gesetzlich streng geregelt. Die wichtigste Grundlage ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union, die in ganz Deutschland gilt.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als Fundament

Die DSGVO (auf Englisch General Data Protection Regulation oder GDPR) legt fest, wie personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Für den Datenschutz in der Telemedizin sind besonders folgende Artikel relevant:

  • Artikel 6 DSGVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung): Jede Datenverarbeitung benötigt eine Rechtsgrundlage. Bei Gesundheitsdaten ist dies meist Ihre ausdrückliche Einwilligung.
  • Artikel 9 DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten): Gesundheitsdaten sind als „besondere Kategorien“ eingestuft. Ihre Verarbeitung ist grundsätzlich verboten, es sei denn, es liegt eine Ausnahme vor – zum Beispiel Ihre explizite Einwilligung für einen bestimmten Zweck.
  • Artikel 35 DSGVO (Datenschutz-Folgenabschätzung): Bei Verarbeitungen, die ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten von Personen bergen (wie die umfangreiche Verarbeitung von Gesundheitsdaten), muss der Anbieter vorab eine Risikobewertung durchführen.

Welche Gesundheitsdaten werden verarbeitet?

Bei einer telemedizinischen Behandlung werden zahlreiche sensible Daten von Ihnen verarbeitet. Es ist wichtig zu verstehen, welche Informationen das sind und warum sie einen so hohen Schutzbedarf haben.

Beispiele für verarbeitete Gesundheitsdaten

Im Rahmen der Telemedizin können unter anderem folgende Daten anfallen:

  • Stammdaten: Name, Geburtsdatum, Adresse, Versichertennummer.
  • Anamnesedaten: Informationen zu Ihrer Krankengeschichte, Vorerkrankungen, Allergien und Medikamenten.
  • Kommunikationsdaten: Inhalte des Videogesprächs, Chat-Nachrichten mit dem Arzt oder der Ärztin.
  • Diagnosedaten: Diagnosen, Befunde, Laborwerte, Röntgenbilder.
  • Verordnungsdaten: Digitale Rezepte, Überweisungen, Krankschreibungen.
  • Metadaten: Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs, verwendete IP-Adresse.

Diese Daten geben tiefe Einblicke in Ihr Privatleben und Ihren Gesundheitszustand. Ein Missbrauch könnte zu Diskriminierung bei Versicherungen oder im Berufsleben führen. Daher ist der bestmögliche Schutz unerlässlich.

Technische Mindestanforderungen: Sicherheit für Ihre Daten

Ein seriöser Telemedizin-Anbieter muss technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit Ihrer Daten zu gewährleisten. Achten Sie auf folgende Kriterien:

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE)

Die wichtigste technische Schutzmaßnahme ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Sie stellt sicher, dass nur Sie und Ihr behandelnder Arzt die Inhalte des Gesprächs entschlüsseln und einsehen können. Der Anbieter der Plattform selbst hat keinen Zugriff auf die Kommunikationsinhalte. Fragen Sie im Zweifel nach, ob dieses Verfahren eingesetzt wird.

Sicheres Hosting und Serverstandort

Die Server, auf denen Ihre Daten gespeichert werden, sollten sich innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) befinden. Nur so ist sichergestellt, dass das hohe Schutzniveau der DSGVO greift. Ein Hosting in Drittländern wie den USA ist problematisch und erfordert zusätzliche Garantien.

Zugriffskontrolle und Authentifizierung

Nur befugtes Personal darf Zugriff auf Ihre Daten haben. Dies wird durch starke Passwörter, Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) und rollenbasierte Zugriffskonzepte sichergestellt. Auch Sie sollten sich mit einem sicheren Verfahren authentifizieren müssen, bevor Sie auf Ihre Daten zugreifen können.

Anbieter-Prüfliste für Patientinnen und Patienten

Bevor Sie sich für einen Telemedizin-Anbieter entscheiden, sollten Sie einige Punkte prüfen. Diese Checkliste hilft Ihnen dabei:

  • Datenschutzerklärung: Ist sie leicht verständlich, transparent und in deutscher Sprache verfügbar? Informiert sie umfassend über die Datenverarbeitung?
  • Serverstandort: Wird klar kommuniziert, dass die Datenverarbeitung in der EU/EWR stattfindet?
  • Verschlüsselung: Wird eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die Videokommunikation garantiert?
  • Zertifikate und Siegel: Gibt es anerkannte Zertifikate (z. B. nach ISO 27001) oder Datenschutz-Siegel, die die Sicherheit belegen?
  • Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV): Auch wenn Sie als Patient keinen AVV schließen, zeigt dessen Erwähnung, dass der Anbieter die DSGVO-Anforderungen kennt.
  • Auditnachweise: Seriöse Anbieter lassen ihre Systeme regelmäßig von unabhängigen Dritten prüfen und können dies belegen.

Einwilligung in die Telemedizin: Ihr informiertes „Ja“

Ihre Einwilligung ist die zentrale Rechtsgrundlage für die Verarbeitung Ihrer Gesundheitsdaten in der Telemedizin. Damit sie gültig ist, muss sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Wann ist eine Einwilligung nötig und wie muss sie aussehen?

Eine Einwilligung ist fast immer erforderlich, bevor eine telemedizinische Behandlung beginnen kann. Sie muss:

  • Freiwillig erfolgen, also ohne Zwang.
  • Für den bestimmten Fall und einen konkreten Zweck erteilt werden (z. B. „für die Durchführung einer Videosprechstunde zur Behandlung von XY“).
  • In informierter Weise erfolgen, das heißt, Sie müssen genau wissen, wofür Sie Ihre Einwilligung geben.
  • Unmissverständlich sein, am besten durch eine aktive Handlung wie das Setzen eines Häkchens in einer Checkbox.

Eine wirksame Einwilligungserklärung könnte zum Beispiel lauten: „Ich willige ein, dass meine Gesundheitsdaten (Anamnese, Diagnose, Gesprächsinhalte) zum Zwecke der Durchführung einer Videosprechstunde am [Datum] durch [Name des Arztes/Anbieters] verarbeitet werden. Mir ist bewusst, dass ich diese Einwilligung jederzeit widerrufen kann.“

Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) einfach erklärt

Eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA), auf Englisch Data Protection Impact Assessment (DPIA), ist ein Instrument, das Anbieter nutzen müssen, um Risiken für den Datenschutz zu identifizieren und zu minimieren. Nach Artikel 35 DSGVO ist sie für Telemedizin-Angebote in der Regel verpflichtend.

Was leistet eine DSFA?

Die DSFA beantwortet systematisch Fragen wie:

  • Welche Daten werden wie und warum verarbeitet?
  • Welche Risiken bestehen für die Patientinnen und Patienten (z. B. Datenverlust, unbefugter Zugriff)?
  • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit und die Schwere dieser Risiken?
  • Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Risiken zu minimieren (z. B. Verschlüsselung, Pseudonymisierung)?

Auch wenn Sie als Patient die DSFA nicht einsehen können, ist ihre Existenz ein wichtiges Indiz für einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Datenschutz in der Telemedizin.

Datenweitergabe an Dritte: Wer erhält Ihre Daten?

Ihre Daten bleiben nicht immer nur beim Telemedizin-Anbieter. Eine Weitergabe an Dritte ist in bestimmten Fällen notwendig, muss aber stets transparent und rechtmäßig erfolgen.

Abrechnung, Labore und externe Dienstleister

Eine Datenweitergabe kann an folgende Stellen erfolgen:

  • Abrechnungsstellen und Krankenkassen: Zur Abrechnung der erbrachten Leistungen.
  • Externe Labore oder Fachärzte: Wenn Proben analysiert oder weitere Expertisen eingeholt werden müssen.
  • Technische Dienstleister: Zum Beispiel der Anbieter der Videokonferenzsoftware oder des Rechenzentrums. Mit diesen muss der Arzt einen Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) geschlossen haben.

Sie müssen über jede Weitergabe, die über den Behandlungszweck hinausgeht, gesondert informiert werden und gegebenenfalls erneut einwilligen.

Aufbewahrung und Löschung: Was passiert mit Ihren Daten?

Ihre Patientendaten dürfen nicht unbegrenzt gespeichert werden. Es gelten gesetzliche Aufbewahrungsfristen, aber auch Ihr Recht auf Löschung.

Ärztliche Behandlungsunterlagen müssen in der Regel mindestens 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden. Nach Ablauf dieser Frist müssen die Daten sicher gelöscht werden, es sei denn, eine längere Aufbewahrung ist aus anderen Gründen erforderlich. Sie haben das Recht, die Löschung Ihrer Daten zu verlangen, sofern keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten entgegenstehen.

Praktische Anleitung für Patientinnen und Patienten

Sie können auch selbst einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit Ihrer Daten leisten. Beachten Sie vor einer Videosprechstunde folgende Tipps für Ihre Strategien ab 2025:

Browser, App und Geräte-Einstellungen

  • Updates nutzen: Halten Sie Ihren Browser, die App des Anbieters und Ihr Betriebssystem immer auf dem neuesten Stand. Updates schließen oft Sicherheitslücken.
  • Sicheres WLAN: Nutzen Sie für die Videosprechstunde ein passwortgeschütztes, vertrauenswürdiges WLAN-Netz. Vermeiden Sie öffentliche, ungesicherte Netzwerke.
  • Cookies kontrollieren: Akzeptieren Sie nur die technisch notwendigen Cookies. Analytische oder Marketing-Cookies sind für die Behandlung nicht erforderlich.
  • Mikrofon- und Kamerazugriff: Erlauben Sie den Zugriff auf Mikrofon und Kamera nur für die Dauer des Gesprächs. Moderne Browser und Betriebssysteme fragen Sie vor jeder Nutzung um Erlaubnis. Schließen Sie nach dem Gespräch das Browser-Tab oder die App vollständig.

Mustertexte für Ihre Rechte

Um Ihre Rechte nach der DSGVO wahrzunehmen, können Sie die folgenden Mustertexte als Vorlage nutzen.

Muster: Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit mache ich von meinem Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO Gebrauch und bitte Sie um eine vollständige Auskunft über die zu meiner Person gespeicherten Daten. Bitte teilen Sie mir insbesondere mit, welche Datenkategorien verarbeitet werden, zu welchen Zwecken dies geschieht und an welche Empfänger diese Daten weitergegeben wurden.
Mit freundlichen Grüßen,
[Ihr Name]

Muster: Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit reiche ich eine Beschwerde gegen den Telemedizin-Anbieter [Name des Anbieters] ein. Ich habe den Verdacht, dass bei der Verarbeitung meiner Gesundheitsdaten gegen die DSGVO verstoßen wurde. [Kurze, sachliche Beschreibung des Vorfalls]. Ich bitte Sie, den Sachverhalt zu prüfen.
Mit freundlichen Grüßen,
[Ihr Name]

Häufige Fragen (FAQ) zum Datenschutz in der Telemedizin

Dürfen Videosprechstunden aufgezeichnet werden?

Nein, eine Aufzeichnung der Videosprechstunde ist ohne Ihre ausdrückliche und gesonderte Einwilligung strengstens verboten. Dies wäre ein schwerwiegender Eingriff in Ihr Persönlichkeitsrecht.

Was gilt für den Datenschutz bei Kindern und Jugendlichen?

Bei Minderjährigen müssen die Sorgeberechtigten (in der Regel die Eltern) in die Datenverarbeitung einwilligen. Ab einem gewissen Alter (ca. 16 Jahre) können Jugendliche je nach Einsichtsfähigkeit auch selbst einwilligen.

Was passiert bei einer grenzüberschreitenden Datenübermittlung?

Eine Übermittlung von Gesundheitsdaten in Länder außerhalb der EU/EWR ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig. Der Anbieter muss sicherstellen, dass im Zielland ein angemessenes Datenschutzniveau herrscht, was oft nur durch zusätzliche Verträge (Standardvertragsklauseln) möglich ist.

Checkliste vor dem ersten Telemedizintermin

  • [ ] Ich habe die Datenschutzerklärung des Anbieters gelesen und verstanden.
  • [ ] Der Anbieter garantiert eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
  • [ ] Die Datenverarbeitung findet nachweislich in der EU/EWR statt.
  • [ ] Ich nutze eine aktuelle Software (Browser/App) und ein sicheres WLAN.
  • [ ] Ich habe meine Einwilligung bewusst und informiert erteilt.
  • [ ] Ich weiß, wie ich den Zugriff auf Kamera und Mikrofon nach dem Gespräch beende.

Für weitere Informationen und bei Beschwerden können Sie sich an die zuständigen Stellen wenden. Wichtige Organisationen wie die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) oder der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) bieten ebenfalls wertvolle Informationen. Offizielle Anlaufstellen sind:

  • Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI): Die oberste deutsche Datenschutzbehörde für den Bund. Zur Webseite des BfDI
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Bietet Informationen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Zur Webseite des BMG
  • Landesdatenschutzbehörden: Für die meisten Anliegen im privaten Sektor sind die Aufsichtsbehörden der Bundesländer zuständig.

Kurzfassung und nächste Schritte für Betroffene

Ein starker Datenschutz in der Telemedizin ist die Grundlage für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis im digitalen Raum. Als Patientin oder Patient sind Sie nicht machtlos. Informieren Sie sich, hinterfragen Sie kritisch und nutzen Sie Ihre Rechte. Achten Sie auf transparente Informationen, technische Sicherheitsstandards wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und einen Serverstandort in der EU.

Ihr nächster Schritt: Nutzen Sie unsere Checkliste vor Ihrem nächsten Telemedizintermin. Bleiben Sie wachsam und fordern Sie den Schutz Ihrer sensibelsten Daten aktiv ein. So können Sie die Chancen der modernen Medizin sicher und selbstbestimmt nutzen.