Datenschutz in Telemedizin: Rechte, Technik und sichere Video-Sitzungen

Datenschutz in Telemedizin: Rechte, Technik und sichere Video-Sitzungen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Warum Datenschutz bei Telemedizin entscheidend ist

Die Telemedizin hat sich zu einem festen Bestandteil der modernen Gesundheitsversorgung entwickelt. Videosprechstunden, digitale Rezepte und Gesundheits-Apps bieten Flexibilität und erleichtern den Zugang zu medizinischer Beratung. Doch mit der Digitalisierung von Arzt-Patienten-Gesprächen rückt ein zentrales Thema in den Fokus: der Datenschutz in der Telemedizin. Ihre Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen, die es über Sie gibt. Ein lückenloser Schutz dieser Daten ist daher nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern die Grundlage für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Behandler. Dieser Ratgeber bietet Ihnen als Patient oder Verbraucher einen praxisnahen Überblick, wie Sie Ihre Daten schützen und worauf Sie achten müssen.

Ein kurzer Überblick über die Rechtsgrundlagen

Der Schutz Ihrer Gesundheitsdaten ist in Deutschland und der EU streng geregelt. Die wichtigsten Gesetze, die den Datenschutz in der Telemedizin bestimmen, sind die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO, auf Englisch GDPR) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Für Sie als Patient sind vor allem zwei Artikel der DSGVO von Bedeutung:

  • Artikel 6 DSGVO: Dieser Artikel legt fest, wann die Verarbeitung personenbezogener Daten überhaupt rechtmäßig ist. Im Gesundheitskontext ist dies meist durch einen Behandlungsvertrag oder Ihre explizite Einwilligung abgedeckt.
  • Artikel 9 DSGVO: Hier wird der Schutz „besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ geregelt, zu denen ausdrücklich Gesundheitsdaten zählen. Ihre Verarbeitung ist grundsätzlich verboten, es sei denn, es liegt eine Ausnahme vor – wie zum Beispiel die medizinische Behandlung oder Ihre ausdrückliche Einwilligung.

Das BDSG ergänzt die DSGVO mit nationalen Regelungen und konkretisiert bestimmte Aspekte, beispielsweise im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht.

Welche Gesundheitsdaten besonders schutzbedürftig sind

Wenn wir über Gesundheitsdaten sprechen, geht es um weit mehr als nur Diagnosen. Alle Informationen, die sich auf Ihren körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand beziehen, fallen unter diesen besonderen Schutz. Dazu gehören unter anderem:

  • Diagnosen und Befunde
  • Informationen über Krankengeschichte und Vorerkrankungen
  • Verschriebene Medikamente und Therapien
  • Genetische und biometrische Daten
  • Angaben zu Lebensstil (z. B. Raucherstatus, Alkoholkonsum)
  • Psychische Zustandsbeschreibungen und Notizen aus psychotherapeutischen Sitzungen
  • Abrechnungsdaten, die Rückschlüsse auf Behandlungen zulassen

Die Gewährleistung des Datenschutzes in der Telemedizin ist entscheidend, um den Missbrauch dieser hochsensiblen Informationen zu verhindern.

Technische Mindestanforderungen für sichere Telemedizin

Ein wirksamer Datenschutz stützt sich auf robuste technische Maßnahmen. Als Patient können Sie zwar nicht hinter die Kulissen der Anbieter schauen, aber Sie können gezielt nachfragen oder in den Datenschutzinformationen auf folgende Standards achten:

Verschlüsselung

Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) ist der Goldstandard. Sie stellt sicher, dass nur Sie und Ihr Gegenüber (z. B. der Arzt) die Inhalte der Kommunikation entschlüsseln und lesen können. Der Anbieter der Plattform hat selbst keinen Zugriff auf die Gesprächsinhalte. Eine reine Transportverschlüsselung (TLS) schützt die Daten nur auf dem Weg zum Server des Anbieters, nicht aber auf dem Server selbst.

Authentifizierung

Sichere Verfahren zur Identitätsprüfung sind unerlässlich. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA), bei der Sie neben Ihrem Passwort einen zweiten Code (z. B. per App oder SMS) eingeben müssen, erhöht die Sicherheit Ihres Kontos erheblich.

Serverstandort

Der physische Standort der Server, auf denen Ihre Daten gespeichert werden, ist von großer Bedeutung. Idealerweise sollten die Server in Deutschland oder zumindest innerhalb der Europäischen Union (EU) stehen. Nur so ist sichergestellt, dass das strenge Datenschutzniveau der DSGVO vollständig greift.

Sicherheitsvergleich: Was Patienten bei Plattformen prüfen sollten

Nicht alle telemedizinischen Angebote sind gleich sicher. Die folgende Tabelle hilft Ihnen, die Spreu vom Weizen zu trennen und die richtigen Fragen zu stellen.

Sicherheitsmerkmal Minimalstandard (Vorsicht geboten) Guter Standard (Empfehlenswert) Was Sie prüfen sollten
Verschlüsselung Nur Transportverschlüsselung (TLS) Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) Steht „Ende-zu-Ende-verschlüsselt“ explizit in der Beschreibung oder Datenschutzerklärung?
Serverstandort Außerhalb der EU (z.B. USA) Deutschland oder EU Wo werden meine Daten laut Anbieter gespeichert?
Authentifizierung Nur Passwort Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) Bietet die Plattform eine 2FA-Option in den Sicherheitseinstellungen an?
Datenweitergabe Umfassende Weitergabe an Dritte zu Werbezwecken Keine Weitergabe ohne explizite Einwilligung Lesen Sie die Datenschutzerklärung: An wen und zu welchem Zweck werden Daten weitergegeben?
Zertifizierung Keine Angaben Zertifizierung nach anerkannten Standards (z.B. KBV-Siegel, ips-Gütesiegel) Wirbt der Anbieter mit offiziellen Zertifikaten von vertrauenswürdigen Stellen?

Die Einwilligung in der Telemedizin: Was Sie wissen müssen

Bevor ein Arzt oder Therapeut Ihre Gesundheitsdaten im Rahmen einer telemedizinischen Behandlung verarbeiten darf, benötigt er Ihre informierte und freiwillige Einwilligung. Diese muss klar und verständlich formuliert sein. Eine einfache Zustimmung zu den AGB reicht nicht aus. Eine wirksame Einwilligung sollte folgende Punkte abdecken:

  • Wer verarbeitet die Daten (Name der Praxis/des Arztes)?
  • Welche Daten werden verarbeitet (z. B. Gesprächsinhalte, Befunde)?
  • Zu welchem Zweck erfolgt die Verarbeitung (z. B. zur Durchführung der Videosprechstunde)?
  • Welche Technik wird eingesetzt (Name der Videodienst-Plattform)?
  • Ein Hinweis auf Ihr Recht zum Widerruf der Einwilligung.

Die Dokumentation erfolgt meist über ein digitales Formular, das Sie vor der ersten Sitzung bestätigen. Bitten Sie im Zweifel um eine Kopie für Ihre Unterlagen.

Praxis-Checkliste für Patientinnen und Patienten

Mit dieser Checkliste behalten Sie den Überblick und stärken den Datenschutz bei Ihrer Telemedizin-Nutzung ab 2025.

Vor der Sitzung

  • Anbieter prüfen: Informieren Sie sich über die verwendete Software. Ist sie für den medizinischen Bereich zertifiziert?
  • Einwilligung lesen: Verstehen Sie, wozu Sie Ihre Zustimmung geben? Fragen Sie bei Unklarheiten nach.
  • Sichere Umgebung schaffen: Wählen Sie einen privaten Raum, in dem niemand mithören kann.
  • Sicheres Netzwerk nutzen: Vermeiden Sie öffentliche WLAN-Netze. Nutzen Sie Ihr privates, passwortgeschütztes WLAN oder eine mobile Datenverbindung.
  • Gerät absichern: Stellen Sie sicher, dass Ihr Betriebssystem und Ihr Virenscanner aktuell sind.

Während der Sitzung

  • Keine Aufnahmen ohne Zustimmung: Weder Sie noch Ihr Gegenüber dürfen das Gespräch ohne die ausdrückliche Einwilligung des anderen aufzeichnen.
  • Hintergrund kontrollieren: Achten Sie darauf, dass im Kamerabild keine persönlichen oder sensiblen Informationen zu sehen sind.
  • Identität prüfen: Stellen Sie sicher, dass Sie mit der richtigen Person sprechen, besonders bei einem Erstkontakt.

Nach der Sitzung

  • Ausloggen: Melden Sie sich immer aktiv aus der Anwendung oder dem Web-Portal ab.
  • Browserverlauf/Cache leeren: Löschen Sie nach der Sitzung den Browserverlauf und den Cache, insbesondere wenn Sie einen fremden Computer genutzt haben.
  • Zugangsdaten sicher verwahren: Verwenden Sie ein starkes, einzigartiges Passwort für den Zugang zur Telemedizin-Plattform.

Auftragsverarbeitung und Drittanbieter: Ihre Rechte und Kontrollmöglichkeiten

Ihre Arztpraxis nutzt für die Videosprechstunde oft einen externen technischen Dienstleister. In diesem Fall muss die Praxis einen Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) mit dem Dienstleister schließen. Dieser Vertrag stellt sicher, dass der Anbieter die Daten nur nach Weisung der Praxis und gemäß den strengen Vorgaben der DSGVO verarbeitet. Als Patient haben Sie das Recht zu erfahren, welche Dienstleister eingesetzt werden. Diese Information finden Sie in der Regel in der Datenschutzerklärung der Praxis.

Was tun bei einem Datenschutzvorfall? Ein Handlungsplan

Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihre Daten missbraucht wurden oder verloren gegangen sind (z. B. durch ein Datenleck beim Anbieter), ist schnelles Handeln wichtig.

  1. Kontakt zur verantwortlichen Stelle: Informieren Sie umgehend Ihre Arztpraxis oder den Therapeuten. Diese sind gesetzlich verpflichtet, den Vorfall zu prüfen und gegebenenfalls der zuständigen Datenschutz-Aufsichtsbehörde zu melden.
  2. Dokumentation: Sichern Sie alle relevanten Informationen, z. B. E-Mails, Screenshots oder Notizen, die Ihren Verdacht belegen.
  3. Auskunftsrecht nutzen: Fordern Sie nach Art. 15 DSGVO Auskunft darüber, welche Ihrer Daten von dem Vorfall betroffen sind.
  4. Meldung bei der Aufsichtsbehörde: Wenn die verantwortliche Stelle nicht oder nur unzureichend reagiert, können Sie sich direkt an die für Ihr Bundesland zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde wenden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) bietet hierzu eine Übersicht.

Cookies, Tracking und App-Einstellungen kontrollieren

Auch Webseiten und Apps von Telemedizin-Anbietern können Cookies und Tracker einsetzen. Während technisch notwendige Cookies für die Funktion unerlässlich sind, dienen Analyse- oder Marketing-Cookies oft der Sammlung von Nutzerdaten. So schützen Sie sich:

  • Cookie-Banner bewusst nutzen: Klicken Sie nicht einfach auf „Alle akzeptieren“. Wählen Sie stattdessen „Nur notwendige Cookies“ oder passen Sie die Einstellungen individuell an.
  • Browser-Einstellungen: In den Einstellungen Ihres Browsers (z. B. Firefox, Chrome) können Sie Cookies von Drittanbietern blockieren und Tracking-Schutzfunktionen aktivieren.
  • App-Berechtigungen prüfen: Überprüfen Sie auf Ihrem Smartphone, welche Berechtigungen die Telemedizin-App hat. Benötigt sie wirklich dauerhaften Zugriff auf Mikrofon, Kamera oder Ihren Standort? Deaktivieren Sie nicht benötigte Berechtigungen.

Besondere Anforderungen für sensible Personengruppen

Der Datenschutz in der Telemedizin muss die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Gruppen berücksichtigen.

  • Kinder und Jugendliche: Bei Minderjährigen ist in der Regel die Einwilligung der Sorgeberechtigten erforderlich. Die Kommunikation muss altersgerecht und besonders geschützt sein.
  • Psychisch vulnerable Personen: Bei psychotherapeutischen Behandlungen ist die Vertraulichkeit von höchster Bedeutung. Hier gelten noch strengere Anforderungen an die Schweigepflicht und die technische Sicherheit.
  • Einsatz von Dolmetschern: Werden Dolmetscher in die Videosprechstunde einbezogen, müssen auch diese zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Dies sollte klar kommuniziert und dokumentiert werden.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Datenschutz in der Telemedizin

Darf mein Arzt die Videosprechstunde aufzeichnen?

Nein, eine Aufzeichnung der Videosprechstunde ist nur mit Ihrer ausdrücklichen und vorherigen Einwilligung erlaubt. Eine heimliche Aufzeichnung ist strafbar.

Welche Videodienstanbieter sind sicher?

Achten Sie auf Anbieter, die speziell für den medizinischen Bereich zertifiziert sind (z. B. durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, KBV). Diese erfüllen nachweislich hohe Sicherheits- und Datenschutzstandards.

Kann ich meine Einwilligung zur Datenverarbeitung widerrufen?

Ja, Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft widerrufen. Bereits erfolgte Behandlungen bleiben davon unberührt. Der Widerruf sollte schriftlich erfolgen.

Was ist der Unterschied zwischen Datenschutz und ärztlicher Schweigepflicht?

Die ärztliche Schweigepflicht ist ein strafrechtlich geschütztes Berufsgeheimnis. Der Datenschutz ist ein Grundrecht, das die Verarbeitung aller personenbezogenen Daten regelt. Beide Konzepte greifen ineinander, um Ihre Gesundheitsdaten umfassend zu schützen.

Vorlagen: Muster für Einwilligung und Protokoll

Musterformulierung für eine Einwilligung

„Hiermit willige ich, [Ihr vollständiger Name], geboren am [Ihr Geburtsdatum], ein, dass die Praxis [Name der Praxis] zum Zweck der Durchführung einer Videosprechstunde über den zertifizierten Videodienstanbieter [Name des Anbieters] meine Gesundheitsdaten verarbeitet. Mir ist bekannt, dass die Kommunikation Ende-zu-Ende-verschlüsselt ist und keine Aufzeichnung stattfindet. Diese Einwilligung erfolgt freiwillig. Ich wurde über mein Recht informiert, diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen.“

Einfaches Protokollmuster für den Datenschutzvorfall

  • Datum des Vorfalls/der Entdeckung:
  • Betroffene Plattform/Anwendung:
  • Kurze Beschreibung des Verdachts: (z.B. Fremder Zugriff auf Konto, verdächtige E-Mails erhalten)
  • Datum der Kontaktaufnahme mit der Praxis/dem Anbieter:
  • Antwort der Praxis/des Anbieters (falls erfolgt):
  • Ergriffene Maßnahmen: (z.B. Passwort geändert, Meldung gemacht)

Weiterführende Stellen und offizielle Ressourcen

Für vertiefende Informationen und bei Beschwerden können Sie sich an folgende offizielle und unabhängige Stellen wenden:

Ein bewusster Umgang mit den eigenen Daten ist der beste Schutz. Indem Sie sich informieren und kritisch nachfragen, leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit Ihrer sensiblen Gesundheitsinformationen und stärken den Datenschutz in der Telemedizin nachhaltig.